Lingang New City ist eine der bekanntesten künstlichen neuen und visionären Städte Chinas. Nahe Shanghai und nahe der Mündung des Yangzi ins pazifische Meer wurde Land dem Wasser abgetrotzt. Der Kopf hinter der Idee dieser Planstadt ist der bekannte Architekt
Meinhard von Gerkan. Besonders daran ist, dass ein kreisrunder Süßwassersee das Stadtzentrum bzw. den Mittelpunkt der zukünftigen Stadt bilden soll. Darum herum entstehen Parks, Bürogebäude und Wohnviertel.
So war die Idee, allerdings hat sich im Laufe der Zeit ein wenig daran verändert, der See wurde größer als geplant und ist jetzt eher am Rand als im Zentrum. Ich war mit Shanghaier Freunden dort, die von Lingang bisher nur gehört hatten, aber die selbst noch nie dort waren. Ein Kollege meiner Freundin hat sich dort eine Eigentumswohnung gekauft und wartet darauf, dass die Stadt fertig wird, um dann hierher zu ziehen. Im Gegensatz zu Shanghai soll hier (60 km südöstlich des Stadtzentrums) die Luft besser sein. Enge sucht man auch vergeblich, die Straßen wirken auto- und menschenleer überdimensioniert und die Stadt fast wie ausgestorben. Noch.
Wir sind als erstes etwas herumgefahren und haben dann vor dem China Maritime Museum geparkt.
Das Museum ist das für mich schönste Gebäude dort. Meinhard von Gerkan hat es konzipiert (vom Wasser aus, wie auf dem
Foto des Architekturbüros, wirkt es noch besser), auffallend sind die 58 m hohen Gitterschalenkonstruktionen, die aneinander lehnen und aussehen wie zwei überdimensionale Segel. Das passt ja zum Thema des Museums. Auch innen war es sehr groß mit viel Ausstellungsfläche.
Die Eingangshalle mit dem Ticketoffice war seltsam ausgestorben. Auch innen war nicht viel los.
Hier einige Impressionen vom Innern des China Maritime Museum:
China hat eine lange Geschichte, was Dschunken angeht und natürlich eine große Expertise, was deren Bau und das Handwerk dafür angeht. Was gar nicht so bekannt ist, es gab in früheren Jahrhunderten chinesische Seefahrer, die fast die ganze Welt erkundeten. Es gibt verschiedene Dschunken zu sehen, als Modelle und eine große, auf der man herumlaufen kann.
Das Museum informiert auf drei Etagen über die chinesische Schifffahrt von Dschunken über Drachenboote bis zu modernen Reedereien oder auch Sport-Segelschiffen. Man kann zwischendurch navigieren, so tun wie wenn man ein Schiff zusammenschweißt oder sich Filme anschauen.
Wir sind dann weiter zum Dishui-See (滴水湖). Auf diesem kreisrunden See fahren Boote, allerdings nur sehr früh am Tag. Wie so oft in China rechnet man ab 15 Uhr nicht mehr mit Touristen. Morgens um 7 Uhr wäre es wahrscheinlich belebter gewesen, auch am Sonntag.
Das folgende Foto bringt die Dimension des Sees gut heraus: In der Mitte kann man nur beim Großklicken (drauf klicken oder rechte Maustaste, dann werden die meisten Fotos auf dem Blog größer!) erahnen, dass dort ein Zentrum befindet, ein großer metallener tropfenartiger Koloss, über den einige chinesischsprachige Schilder am Ufer informieren und der Ziel der Bootstouren ist.
Schade fanden wir, dass es nirgends etwas zu essen gab, jedenfalls nichts richtiges. In China ist es total wichtig, dass man überall und gut essen kann. Wir fanden kein Restaurant, kein schönes Café, nichts.
Wir sind daher auch bald in die Stadt zurück gefahren und im Norden Pudongs nahe meinem Hotel essen gegangen. Hier ein Foto von der Fahrt, vom Auto aus, das ist so typisch Pudong: Wasser, Gebäude, Landwirtschaft drum herum.
Und das Abendessen in Shanghai (wir waren im holländischen Viertel, einer weiteren künstlichen Stadt) war gut. :-)
Interessant fand ich, dass meine Freunde gerne mit Coupons agieren, schnell mit dem Smartphone bevor man in das Restaurant geht, irgendetwas herunterladen und im Restaurant weniger bezahlen. Man hat dann allerdings nicht mehr die volle Auswahl aus der Karte. So agieren sehr viele junge Chinesen und sparen eine Menge Geld.
Informationen zu Lingang New City
Anfang des Jahrtausends, als klar wurde, dass Shanghai weiterhin so wachsen würde, beschloss das Shanghaier Stadtplanungsamt, eine neue Stadt zu gründen, die nahe des internationalen Containerhafens Yangshan liegen sollte. Die Planstadt Lingang New City war gedacht, autark zu sein, sich auf Schifffahrt, Handel und Dienstleistungen zu konzentrieren. Beim ausgelobten Wettbewerb spielten ökologische Aspekte eine große Rolle, ebenso öffentliche Einrichtungen und Bildungs- sowie Freizeitangebote; es sollte eine moderne lebenswerte Stadt werden. Das Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner gewann mit seinem Entwurf der modernen Wasserstadt mit den sich ausbreitenden konzentrischen Kreise um den See herum.
2003 begannen die Bauarbeiten. Auf einer Gesamtfläche von 296 qkm sollen 800.000 Einwohner leben, anfangs waren 300.000 geplant. Der See soll einen Durchmesser von 2,5 km haben. Die Planung hat sich im Laufe der Jahre verändert, die Stadt wurde immer größer für mehr Menschen konzipiert. Ob es stimmt, dass der See größer werden sollte als die Außenalster in Shanghais Partnerstadt Hamburg weiß ich nicht, das Gerücht hält sich jedenfalls. Um den See herum soll eine Promenade erweitert werden, die 8 km lang sein soll und einen Badestrand beinhalten soll. Als Fertigstellungstermin war 2020 geplant, allerdings denke ich, dass ab 2016, wenn die Metro nach Lingang fährt, dort mehr Leben einkehrt und Menschen dort hin ziehen.
Anreise nach Lingang
Ab 2016 soll die Metro Lingang mit Shanghai verbinden.
Nachtrag: Endstation der Linie 16 ist Dishui Lake Station (滴水湖站), am besten fährt man dort hin. Die Wege in der Stadt selbst sind aber weit!
Selbstverständlich kann man auch mit dem Taxi fahren, sollte dann aber evtl. einen Fahrpreis für den ganzen Tag aushandeln und den Fahrer warten lassen, wenn man dort etwas besichtigt. Ich habe dort keine Taxis gesehen, mit denen man hätte zurück fahren können.
临港新城 ist der chinesische Name, teils liest man auch 上海市浦东新区, allerdings sind beide nicht sehr bekannt. Zur Orientierung der groben Richtung ist wahrscheinlich die Shanghai Maritime University (上海海事大学) am besten geeignet.
Ich hatte wie geschrieben das Glück, mit Freunden her zu kommen, die ein Auto besitzen. Man fährt von Shanghai aus nicht weit entfernt vom Pudonger Flughafen auf achtspurigen Autobahnen, die immer leerer werden, je näher man Lingang kommt. Allerdings war Lingang schlecht ausgeschildert, wir haben uns ein paar Mal verfahren und mussten nach dem Weg fragen.
Mein Eindruck
Die Stadt wirkte auf mich kulissenhaft und unfertig, was sie ja auch ist. Riesige Straßen und repräsentative Gebäude, aber wenig Leben, wenige Menschen. Wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich mich verloren gefühlt, wie in einer anderen Welt. Gerade wenn man das wuselnde Leben Shanghais gewohnt ist, wirkt Lingang New City bizarr. Am besten hat mir die Architektur des China Maritime Museums gefallen. Hier nochmal ein Foto aus dem Auto raus.
Es ist sicherlich interessant, hier in ein paar Jahren wieder her zu kommen und sich anzuschauen, wie die Stadt sich entwickelt hat. Mich hat die Architektur interessiert; das Maritime Museum und den kreisrunden See fand ich beeindruckend, aber im großen und ganzen hat Lingang mich eher enttäuscht.
Weitere Tipps für Shanghai und Tagesausflüge von Shanghai aus habe ich hier zusammengestellt.